Mein Leben als Protein-Zählerin

Die Menopause kommt, die Muskeln gehen. So rasch geht es nicht, aber wer nicht gegensteuert, verliert schneller an Kraft als einem lieb ist. Das Gegengewicht heisst Protein. Warum Eiweiss gerade in dieser Lebensphase so wichtig ist, wie viel wir davon brauchen und was es im Körper sonst noch leistet, verrät uns meine Interviewpartnerin, Irene von Meiss. Sie ist dipl. Ernährungs-therapeutin und steht mir oft mit guten Tipps bei.

Warum ist Protein in der Menopause besonders wichtig?

Ab dem 30. Lebensjahr geht’s los: Jedes Jahr verlieren wir rund 1 % Muskelmasse – das klingt erstmal nach nicht viel, aber auf Dauer summiert es sich. Wer bis 80 nichts dagegen tut, steht womöglich mit 40 % weniger Muskelmassel da. Und in der Menopause beschleunigt sich dieser Prozess spürbar. Dabei geht’s nicht nur ums straffe Aussehen – Muskeln sind unsere Lebensversicherung im Alltag: aufstehen, gehen, Einkäufe tragen, Treppen steigen – all das funktioniert nur mit Kraft. Weniger Muskeln bedeuten höheres Risiko für Gebrechlichkeit. Im Alter nennt man das: Frailty und Sarkopenie. 

Protein ist also unser bester Verbündeter. Es hilft, Muskeln zu erhalten oder sogar wieder aufzubauen – und das ist in jedem Alter möglich. Zusätzlich stabilisieren Muskeln unseren Blutzuckerhaushalt und liefern Bausteine für Enzyme, Hormone und Antikörper. Kurz gesagt: Wer heute Proteine clever einsetzt, bleibt morgen mobiler, selbständiger – und trägt die Einkaufstaschen mit Stil durchs Leben und kann nebenbei auch den einen oder anderen Muskel zeigen.

Reicht es, einfach genügend Proteine zu essen, um gute Muskeln zu bekommen?

Schön wär's – aber ganz so einfach ist es nicht. Eiweiss ist wichtig, keine Frage. Es liefert die nötigen Bausteine für unsere Muskulatur. Doch ohne Bewegung bleibt der Effekt begrenzt. Am besten: Krafttraining – und noch besser mit schweren Gewichten.

Wie viel Eiweiss braucht die Frau in den Wechseljahren täglich?

Offiziell sagen die Schweizer Referenzwerte: 0,83 Gramm Eiweiss pro Kilogramm Körpergewicht – allerdings beruhen diese Zahlen mehrheitlich auf alte Studien mit Männern, die sich wenig bewegen. Und wir wissen ja, wenn es um Hormone geht, ticken wir Frauen anders.

Viele Expertinnen – mich eingeschlossen – sind überzeugt: Das reicht nicht. Gerade in der Prä-, Peri- und Postmenopause braucht der weibliche Körper mehr Unterstützung, um Muskeln zu halten oder idealerweise sogar aufzubauen. Ein besserer Richtwert liegt bei 1 bis 1,5 Gramm Eiweiss pro Kilogramm Körpergewicht (bei einem BMI im normalen Bereich).

Linsen haben viel Eiweiss

Reicht Eiweiss allein?
Nicht ganz, wenn du zu wenig Kalorien zu dir nimmst, nutzt der Körper das Eiweiss als Energiequelle und für die lebenswichtigen Funktionen, statt für den Muskelaufbau. Es braucht nebst Eiweiss genug Kohlenhydrate und gesunde Fette. Erst dann landen die Proteine dort, wo wir sie haben wollen – in den Muskeln.

Reicht ein Quark am Tag?

Schön wär’s! 100 Gramm Quark bringen gerade mal 10 Gramm Protein. Eine Pouletbrust hat 15 bis 20 Gramm Eiweiss, ein ordentlicher Linsensalat etwa 12. Auch das reicht allein nicht. Die Kunst liegt darin, das Eiweiss über den Tag hinweg schlau zu verteilen.  

Wenn ich’s mit dem Essen nicht erreiche – darf’s dann auch mal ein Protein-Shake sein?

Ja, das darf’s. Idealerweise deckst Du den Eiweissbedarf und seine Nährstoffe über echte Lebensmittel – also mit Mahlzeiten, nicht nur mit Shakes. Aber wenn’s im Alltag eng wird, kann ein Proteinpulver eine sinnvolle Ergänzung sein. Wichtig ist nur: Augen auf bei der Pulverwahl! Keine künstlichen Süssstoffe, keine Aromapülverchen, keine Emulgatoren. Einfaches Pulver, ehrlicher Inhalt – und der Shake passt.

Gibt es einen besten Zeitpunkt für Eiweiss?

Ja – und nein. Für deinen Körper ist es am besten, wenn du das Protein über den Tag verteilt zu den verschiedenen Mahlzeiten zu dir nimmst. Besonders wichtig ist die erste Mahlzeit des Tages – egal, ob du klassisch frühstückst oder erst etwas später isst. Für Frauen ist es jedoch besser, nicht bis Mittag zu fasten. Nach der Nacht ist dein Körper im sogenannten abbauenden Zustand, und da freut er sich besonders über ein eiweissreiches Frühstück.

Woran merke ich eigentlich, dass ich zu wenig Eiweiss bekomme?

Typische Anzeichen sind zum Beispiel ständige Müdigkeit oder das Gefühl, irgendwie schlapp zu sein. Auch häufige Infekte können ein Hinweis sein, denn Proteine spielen eine wichtige Rolle fürs Immunsystem. Und wenn sich trotz regelmässigem Training einfach keine Muskeln aufbauen wollen, kann das auch am Eiweissmangel liegen. Gerade in den Wechseljahren merkst du’s oft auch auf der Waage: Das Gewicht lässt sich schwerer halten oder purzelt einfach nicht, obwohl du dich anstrengst.

Und zum Schluss: Dein persönlicher Protein-Tipp für jeden Tag?

Zu jeder Mahlzeit und jedem Snack ein eiweissreiches Lebensmittel einbauen. Und am besten kurz überlegen: Hat mein Essen genug Protein? Diese kleine Denkschleife kann am Ende den Unterschied machen – für die Muskeln, die Energie und das gute Gefühl, etwas richtig gemacht zu haben.

Und so sieht ein proteinreicher Tag bei mir aus:

·       1 Glas Sojamilch (2 dl) – 6 g
·       Quark mit Flohsamenschalen und Banane – 10 g
·       Cappuccino (ja, auch der zählt ein bisschen!) – 1,5 g
·       Bulgur mit Gemüse – 15 g
·       Proteinpulver in Wasser – 15 g
·       Linsenchips als Snack – 6 g
·       Avocado, Spiegelei und etwas Brot – 14 g

Macht unterm Strich: 67,5 Gramm Eiweiss.
Hart verdient, aber ehrlich gesagt: gar nicht so schlimm. Es ist eher wie ein kleines Puzzle – man muss nur wissen, wo die Teile liegen.

Ihr findet Irene unter irenevonmeiss.ch.

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